top of page

FACHSPRACHE

HÄ?

Unternehmenssprech ist ein Fluch. Dabei ist es so einfach, den richtigen Ton zu treffen

Ish-bin-ein-Berliner.png

Als John F. Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus stand, sagte er nicht: „Das amerikanische Volk und seine Administration blicken mit größter Anteilnahme in diesen schweren Zeiten auf Deutschland, auf Berlin und seine Bürgerinnen und Bürger.“ Er sagte: „Ich bin ein Berliner.“ Als Winston Churchill am 13. Mai 1940 vor dem britischen Unterhaus sprach, sagte er nicht: „Die Herausforderungen, die mit diesem Amtsantritt verbunden sind, sind zweifellos als außergewöhnlich zu bezeichnen. Es wird in naher Zukunft in besonderer Weise auf Zusammenhalt, Kraft und Ausdauer ankommen – von uns allen.“ Churchill sagte: „Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühen, Tränen und Schweiß.“

wc0107-04780r_II.jpg

„Ich habe nichts zu bieten als Blut, Tränen, Mühsal und Schweiß.“

​

Winston Churchill

Es gibt Momente, in denen Politiker eine andere Sprache sprechen. Momente, in denen es darauf kommt, dass man das Besondere der Situation mit besonderen Worten beschreibt. Oft mit weniger Vokabeln, die dafür umso klarer und bildstärker sind. Die Momente und Situationen, in denen das angebracht wäre, gibt es auch in Unternehmen. Aber die dazugehörige Sprache meistens noch nicht. Die traurige Realität ist ein Versteckspiel: Die Wahrheit wird allzu oft hinter Unverständlichkeit, Abstraktion, Floskeln und sinnentleerten Sprachungetümen versteckt. Es wird überhöht, verniedlicht, geglättet oder unkenntlich gemacht. Technokraten und Juristen führen die Feder. Das Ergebnis: Sie haben Recht, aber sie liegen voll daneben. Sie formulieren womöglich korrekt, aber bringen die Belegschaft und andere Interessengruppen gegen das Unternehmen auf.

JFK_speech_lch_bin_ein_berliner_1%20Kopi

John F. Kennedy bei seiner Rede vor dem Rathaus ­Schöneberg. Etwa 400.000 Menschen hörten die Worte des US-Präsidenten vor Ort in Berlin.

Es ist ein großes Übel, dass viele Unternehmen nicht in der Lage sind, sich in einer vernünftigen Sprache mitzuteilen. Wenn Konzernen heute vorgeworfen wird, dass sie außerhalb der Gesellschaft stehen, dann hat das auch viel mit der Sprache zu tun, mit der sie sich selbst ausgrenzen. Drei Tipps, wie man anfangen könnte, es etwas besser zu machen.

 

​

1. Erst die Fakten, dann die Botschaften

​

Mit dem Texten ist das wie mit einem Blumenstrauß: Das schmückende Grünzeug, die Schleifchen und die Glitzerfolie zum Schluss. Beginnen sollte man immer mit den nackten Fakten, bevor man loslegt und von außergewöhnlichen Erfolgen dank herausragendem Teamwork und exzellentem Projektmanagement fabuliert. Das gilt für alle Formate von der Rede oder der Pressemitteilung über die Internet-News bis zum Beitrag in internen und externen Unternehmensmedien. Vor dem Griff in die Buzzword-Kiste stelle man sich die Frage: Was ist die Essenz unserer Botschaft und in welchen einfachen, klaren Worten lässt sie sich am besten ausdrücken? Oder in welchen Sprachbildern, die noch nicht verbraucht sind?

 

​

2. Die Geschichte weitererzählen

​

Jede Botschaft in der Unternehmenskommunikation ist Teil einer Fortsetzungsstory, im besten Falle die Episode einer großen Erzählung. Das gilt auch, wenn harte Einschnitte mit schmerzhaften Veränderungen anstehen. Die entsprechenden Botschaften sind umso plausibler und nachvollziehbarer, je mehr sie anschlussfähig sind an vergangene Episoden. Wer heute die Diversifizierung damit erklärt, dass man sich gezielter auf Kunden ausrichten kann und morgen die Zusammenlegung von Kompetenzen mit demselben Argument erläutert, der bricht aus der Erzählung aus. Wer zur Beschreibung der aktuellen Situation und Maßnahmen ständig nur die „Marktlogik“ bedient und daraus resultierend die „Herausforderungen“ benennt, wer dazu nur die erwarteten Business- und Strategiefloskeln verwendet, der richtet seine Kommunikation nur auf den Moment aus. Wer aber den großen Bogen spannt und die Geschichte des Unternehmens fortschreibt und wer dazu eine eigenen Sprache findet, der beweist Weitblick und Führungstalent.

 

​

3. Adenauers Vokabular genügt

​

Tausend, vielleicht 1.200 Wörter sollen es gewesen sein, mit denen Konrad Adenauer ausgekommen ist. Das Doppelte ist das gewöhnliche Minimum, normal ist eher das Dreifache und mehr. Trotzdem hat sich Konrad Adenauer zeitlebens ganz gut verständlich gemacht. Wörter wie Verbraucher, Endkunde, Nutzer oder Konsument brauchte er nicht. Sind schließlich alles Menschen, oder genauer: Frauen, Männer und Kinder. Was man auch nicht braucht sind technokratische Begriffe wie Mitarbeiterkapazität, Prozessoptimierung, Marktbearbeitung oder Flächenbereinigung. Das ist Konzeptsprech, der in der Kommunikation mit Kunden, Öffentlichkeit und Mitarbeitern nichts verloren hat. Aber immer wieder purzeln solche Worte aus Power Point-Präsentationen in Textmanuskripte. Weil sich dann niemand mehr die Mühe macht, diese Konzeptbegriffe in normale Sprache zu übersetzen, sind sie in der Welt. Und die, also alle Welt, denkt sich: Wer so spricht, hat viel zu verbergen.

​

Fotos: Robert Knudsen, White House/Wikipedia, Library of Congress/Wikipedia

bottom of page